Wo können sich ehemalige NVA-Angehörige treffen?
Auch mehr als dreißig Jahre nach der Auflösung der Nationalen Volksarmee ist das Bedürfnis vieler ehemaliger Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere, sich auszutauschen, ungebrochen. Es geht dabei längst nicht nur um Nostalgie, sondern um Biografiearbeit: Man will den eigenen Lebensabschnitt einordnen, Kameraden wiedersehen, Geschichten teilen, Missverständnisse gerade rücken – und manchmal auch schlicht in einer Runde sitzen, in der man nicht jedes Abkürzungswort erklären muss. Die Möglichkeiten, sich heute zu treffen, sind vielfältig – von organisierten Vereinen bis zu spontanen Stammtischen.
Regionale Kameradschaften und Traditionsvereine
In vielen Städten und Regionen der neuen Bundesländer haben sich lokale Gruppen von Ex-NVA-Angehörigen gebildet. Häufig firmieren sie als „Kameradschaft“, „Interessengemeinschaft“, „Traditionsverein“ oder „Freundeskreis“. Typisch ist:
- regelmäßiger Stammtisch in einer Gaststätte,
- gemeinsame Ausflüge (ehemalige Standorte, Museen, Gedenkstätten),
- Pflege von persönlichen Kontakten, Unterstützung im Alltag,
- gelegentlich Vorträge, Fotoabende oder Buchvorstellungen.
Diese Gruppen sind meist niedrigschwellig: Man kommt über Bekannte, über Aushänge, lokale Presseartikel oder durch Nachfrage bei der Stadt / Gemeinde hinein. Wichtig ist ein bewusster Blick darauf, wie sich ein Verein politisch versteht; seriöse Gruppen pflegen Kameradschaft und Geschichtsbewusstsein, ohne in Verharmlosung des DDR-Systems oder in extremistische Richtungen abzurutschen.
Truppenspezifische Zusammenschlüsse
Daneben existieren Zusammenschlüsse, die sich an bestimmte Truppengattungen oder Dienstorte richten, zum Beispiel:
- ehemalige Angehörige der Volksmarine,
- Luftstreitkräfte/Luftverteidigung,
- Pionier- oder Nachrichteneinheiten,
- Fallschirmjäger oder Aufklärungskräfte,
- bestimmte Regimenter oder Schulen.
Hier stehen oft der fachliche und gemeinschaftliche Bezug im Vordergrund: Man erinnert sich an Schiffe, Flugplätze, Technik, Ausbildungsgänge, gemeinsame Übungen. Solche Treffen reichen von kleinen Runden bis zu gut organisierten Jahrestreffen mit mehreren Dutzend oder Hunderten Teilnehmern.
Ehemalige als Teil der Bundeswehr-Community
Ein Teil der früheren NVA-Berufsangehörigen ist nach 1990 in die Bundeswehr übernommen worden. In vielen Standorten gibt es bis heute:
- persönliche Netzwerke aus „gemischten“ Kameradschaften,
- gemeinsame Teilnahme an Gedenkveranstaltungen,
- Kontakte über Reservistenverbände.
Wer damals übernommen wurde, findet nicht selten in Reservistenkameradschaften oder Standorttraditionen Anknüpfungspunkte, um sowohl die eigene NVA- als auch Bundeswehr-Biografie im Austausch zu halten. Hier lohnt sich bei Interesse der direkte Kontakt zu örtlichen Reservistenverbänden oder Kameradschaften.
Museen, Ausstellungen, öffentliche Veranstaltungen
Treffpunkte entstehen auch dort, wo Geschichte sichtbar gemacht wird. Dazu zählen:
- Militärhistorische Museen und regionale Ausstellungen mit NVA-Bezug,
- Zeitzeugengespräche, Buchlesungen, Podiumsdiskussionen,
- Veranstaltungen an ehemaligen Kasernenstandorten, Tag der offenen Tür in Museen oder Depots.
Solche Orte bieten Raum, um unverbindlich ins Gespräch zu kommen, alte Kameraden zufällig wiederzutreffen oder neue Kontakte zu knüpfen. Viele Häuser freuen sich ausdrücklich über Zeitzeugen, die ihr Wissen einbringen.
Online-Foren, Social Media und private Netzwerke
Ein wichtiger Teil des heutigen Austauschs läuft digital:
- geschlossene Facebook- oder Messenger-Gruppen nach Einheit, Standort oder Truppengattung,
- thematische Foren und Webseiten von Interessengemeinschaften,
- Verteilerlisten für Einladungen zu Jahrestreffen.
Hier finden sich oft Hinweise auf reale Treffen, Gedenkveranstaltungen oder gemeinsame Reisen. Wer nach seiner alten Einheit sucht (Regimentsnummer, Standort, Zeitraum), stößt nicht selten auf bestehende Gruppen. Gleichzeitig ist ein wacher Blick wichtig: Nicht jede Plattform ist politisch harmlos; seriöse Kreise erkennt man an respektvollem Umgangston, klarer Distanz zu Extremismus und offener Diskussion.
Informelle Stammtische und „Mini-Treffen“
Viele Ehemalige brauchen keinen Verein: Sie organisieren sich selbst.
Typische Formen:
- „Jahrgangstreffen“ von Grundwehrdienstleistenden eines Einberufungsturnus,
- kleine Runden im Café oder in der Stammkneipe,
- gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen (z. B. Oldtimertreffen mit ehemaligen NVA-Fahrzeugen, regionale Feste).
Oft reicht ein Anruf, ein Zeitungsinserat oder ein Post in einer örtlichen Gruppe, um ein erstes Treffen anzustoßen. Aus zwei, drei Leuten werden schnell zehn, wenn das Thema einmal in Umlauf ist.
Beratung, Hilfe und Austausch jenseits der Nostalgie
Treffen ehemaliger NVA-Angehöriger drehen sich längst nicht nur um „die gute alte Zeit“. Häufig stehen heute Fragen im Raum wie:
- Rentenansprüche und Überleitungsregelungen,
- Anerkennung von Dienstzeiten und Qualifikationen,
- gesundheitliche Folgen von Dienst, Ausbildung oder Technik,
- Umgang mit persönlicher Ambivalenz: Stolz auf Kameradschaft, Kritik an System und Umständen.
In einer vertrauten Runde lässt sich vieles leichter ansprechen. Teilweise vermitteln diese Netzwerke auch Kontakte zu Fachanwälten, Sozialberatungen oder Initiativen, die sich mit Renten- und Versorgungsfragen befassen.
Fazit
Ehemalige NVA-Angehörige sind heute keineswegs „vereinzelt“. Wer Anschluss sucht, findet ihn:
- in lokalen Kameradschaften und Truppenvereinen,
- in thematischen Verbänden und Zeitzeugen-Netzwerken,
- bei Museums- und Veranstaltungsformaten,
- in digitalen Gruppen und ganz einfachen Stammtischen unter Freunden.
Der Schlüssel liegt darin, aktiv zu werden: alte Namen im Kopf durchgehen, nach Einheiten und Standorten suchen, Einladungen aussprechen, seriöse Strukturen wählen. So bleibt ein wichtiger Teil Biografie lebendig – nicht als starre Verklärung, sondern als gemeinsamer, reflektierter Erinnerungsspeicher.