Das Leben der Bausoldaten in der NVA der DDR

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Updated Oktober 11, 2024

60 Jahre Bausoldaten in der DDR: Ein Dienst ohne Waffen

Am 7. September 1964, vor genau 60 Jahren, erließ der Nationale Verteidigungsrat der DDR eine weitreichende Verordnung: Junge Männer konnten fortan als Bausoldaten einen waffenlosen Wehrdienst leisten – ein Alleinstellungsmerkmal unter den sozialistischen Staaten. Insbesondere die Kirchen setzten sich dafür ein, dass es eine Möglichkeit geben sollte, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern.

Bausoldaten durften oft nur einfache Werkzeuge wie Schaufel, Kreuzhacke und Spaten benutzen, um zu verhindern, dass sie technische Ausrüstung sabotieren könnten. Häufig wurden sie als günstige Arbeitskräfte eingesetzt und mussten gefährliche Arbeiten verrichten, bei denen sie gesundheitlichen Risiken ausgesetzt waren. Ihr Alltag war von vielen Schikanen geprägt. Dazu gehörten auch negative Auswirkungen auf ihre berufliche und schulische Laufbahn.

Die Kirchen hatten sich von Anfang an für eine Alternative zum Kriegsdienst mit der Waffe starkgemacht. Dennoch betont der Jenaer Kirchenhistoriker Roland Lehmann, dass nicht allein der kirchliche Druck die Entscheidung der DDR beeinflusste. Vielmehr nutzte der Staat den Bausoldaten-Dienst als Propagandainstrument, sowohl national als auch international. So sollte das Defizit an demokratischer Legitimation kaschiert und der Bausoldaten-Dienst als ein Symbol sozialistischer Demokratie dargestellt werden.

Obwohl die Kirche den Bausoldaten-Dienst unterstützte, wünschten sich viele von ihr ein stärkeres Engagement, zum Beispiel für die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“. Es stand die Frage im Raum, ob der Bausoldaten-Dienst ausreiche oder ob nicht ein umfassender sozialer Friedensdienst eingeführt werden sollte.

Bausoldaten: Eine Schule der Demokratie

Die meisten Bausoldaten verweigerten den Kriegsdienst aus christlich-pazifistischen Überzeugungen. Fast alle „Spatis“ – wie sie aufgrund des Spatensymbols auf der Schulterklappe genannt wurden – hatten eine kritische Haltung gegenüber der DDR. Das Bausoldatentum wurde zu einer Art „Schule der Demokratie“, da es den Dienstleistenden ermöglichte, sich zu vernetzen und auszutauschen. Diese Entwicklung war der NVA möglicherweise nicht bewusst, jedoch war den Bausoldaten für die Stasi ein Dorn im Auge. Sie betrachtete sie als „legale Konzentration feindlich-negativer Kräfte“ und als „letztes Zugeständnis an den Klassenfeind“.

Zwischen 1964 und 1990 leisteten etwa 15.000 Männer ihren Dienst als Bausoldaten – keine große Bewegung, aber dennoch ein bedeutender Stachel im System der DDR.

Ein interessanter Brauch der Bausoldaten bestand darin, die letzten 150 Tage ihres Dienstes mit einem besonderen Ritual zu begehen: Jeden Tag lasen sie einen Psalm, beginnend mit dem 150. bis hin zum ersten Psalm am letzten Tag. Ein symbolischer Akt, der den Zusammenhalt und die Spiritualität unter ihnen stärkte.